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Interstellare Hochgeschwindigkeitswolken spielen zentrale Rolle bei der Sternbildung
Daß es die Hochgeschwindigkeitswolken gibt (High Velocity Clouds HVC) - Wolken aus atomarem Wasserstoff, die sich sehr schnell bewegen - ist schon lange bekannt. Daß sie sich in unserer Galaxie befinden und welche Rolle sie in der Neubildung von Sternen spielen ist erst seit kurzem bekannt: Mit Schauern von Gas beeinflussen sie die Bildung von schweren Elementen in neuen Sternen. Jeder einzelne Stern in der Milchstraße hat sich vor Millionen oder Milliarden Jahren aus Gas gebildet. Sie wandeln ständig Wasserstoff in Helium und schwerere Elemente wie Metalle um. Die Metalle verlieren die Sterne mit fortschreitendem Alter wieder in den interstellaren Raum. Das würde bedeuten, daß junge Sterne mehr Metalle enthalten müßten als Ältere. Allerdings wird beobachtet, daß fast alle Sterne in der Scheibe, die unsere Milchstraße bildet, die gleiche Konzentration an schwereren Elementen haben - egal wie alt sie sind.
Und an dieser Stelle spielen die HVCs eine Rolle, denn sie beregnen die Milchstraße mit Gasen. Dieser Schauer aus Gas besteht aus metallarmem Material, das vorher nie in der Galaxie war und das die Metallproduktion in den Sternen beeinflussen könnte. Die Beobachtungen des Hubble-Teleskops bestätigen, daß ein kontinuierlicher Strom von Material in die Galaxie transportiert wird, die die stetige Neubildung von Sternen und deren chemische Zusammensetzung beeinflußt. Damit wird eine andere Theorie verworfen, nach der früher die Sterne effektiver in der Produktion von Metallen waren. Die neue Theorie erklärt auch, warum die Milchstraße ständig neue Sterne produzieren kann, ohne je gaslos da zu stehen. Denn die Wolke, die beobachtet wurde, bringt jedes Jahr 0,2 Sonnenmassen in die Galaxie ein. Diese Masse genügt, um jedes Jahr einen neuen Stern zu bilden.
Die HVCs wurden vor 35 Jahren entdeckt und gaben den Astronomen lange Zeit Rätsel auf, weil sie nicht um das Zentrum der Galaxie rotieren, sondern wild durch den Raum rasen. So konnte nie die exakte Position der HVCs bestimmt werden und die Schätzungen ihrer Lage variierten zwischen einigen hundert Lichtjahren bis hin zu zehn Millionen Lichtjahren, womit sie weit außerhalb der Milchstraße lägen. Mit Keck und dem HST wurde gemessen, daß die Wolken 20 000 Lichtjahre weit von der Erde entfernt sind und damit im Halo - dem Außenrand - der Milchstraße liegen. Eine Karte der Hochgeschwindigkeitswolken in der Milchstraße gibt heute recht genau deren Standort an. Alle Rätsel um die HVCs sind aber noch nicht gelöst. Denn woher das metallarme Gas kommt, ist unbekannt. Es könnte von der Bildung der sogenannten Lokalen Gruppe von Galaxien übrig sein. Zu diesen Galaxien gehört der Andromedanebel. Es kann aber ebensogut sein, daß die Milchstraße sich immer noch bildet und so Gas von ihren Rändern ins Innere ihres Einflußbereichs zieht. Unter Anderem wird vorgeschlagen, daß das Gas auch von nahe vorbeifliegenden Zwerggalaxien kommen könnte.
(B. Wakker et al., University of Wisconsin, Nature v. 25.11.99 Vol. 402 No. 6760)
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